Richard Avedon, ein begnadeter und inspirierender Modefotograf. Hier ein Bericht über seinen Enkel aus der 20Minuten Friday Oktoberausgabe.
Ein Bild von einem Enkel
von Alexandra Kruse - Sein Grossvater war der Modefotograf Richard Avedon. Heute stehen die Stars bei Mike Avedon vor der Kamera.
In Amerikaner und Starbucks, das macht Sinn, denke ich, als ich auf dem Weg bin, um Mike Avedon für ein Interview zu treffen. Obwohl es sicher schönere Orte in Zürich gäbe. Aber ich freue mich auf den Java Chip.
Mike zeigt unserer Autorin seine Bilder. Kunstfreunde unter sich: Mike Avedon mit Oskar Weiss an der Limmat.
Er hat kein Telefon, informierte mich das Szenemädchen, das unser Treffen eingefädelt hat. Wie sich später herausstellt, macht er gerade «Kommunikationspause» – und leiht sich mein iPhone, um kurz seine drei besten Freunde und die Krankenversicherung anzurufen. Michael Avedon ist der Enkel von Richard Avedon, einem der grössten Modefotografen des 20. Jahrhunderts, und gerade für ein paar Tage bei Freunden in Zürich zu Besuch. Jetzt sitzt Fotograf und Blogger Pascal Grob neben ihm, der einzige Schweizer, der es je geschafft hat, Boy of the Week der «Teen Vogue» zu werden. Er soll uns als Fotograf begleiten. Man möchte die beiden fast nicht stören, so vertieft sind sie in ein Fachgespräch. «35 mm FM 10 - Yashica T4 – Tmax 400 und Ektar 100» - Moment, worüber reden die eigentlich? Ah, Kamera und Filme, analoge Fotografie. «Man muss sich viel mehr mit den natürlichen Gegebenheiten, dem Licht und der richtigen Einstellung befassen. Ein Foto machen, es gestalten – und nicht einfach auf den Knopf drücken», sagt der 22-jährige Mike, der an der renommierten New Yorker School of Visual Arts Fotografie studiert. Klingt schlau, denke ich. Und in digitalen Zeiten, in denen jeder denkt, nur weil er sein iPhone auf alles halten kann, mache er gute Bilder, ebenso wahr.
Auf Reisen
Wir machen uns auf den Weg in die Stadt, die ich ihm zeigen soll. Mike, der zum ersten Mal in Zürich ist, möchte «etwas Typisches» sehen. Also spazieren wir ein wenig durch das Niederdorf und unterhalten uns. «Ich bin ein echter New Yorker», erzählt er, dort geboren und aufgewachsen, «ich bin mit Körper, Geist und Seele mit der Stadt verbunden.» Er sei super viel unterwegs, liebe Südostasien und war schon an vielen Orten auf der Welt, «aber zum Leben kann ich mir keine andere Stadt vorstellen. New York ist tatsächlich der Melting Pot.» Er redet und erzählt, «den Auftritt der Chemical Brothers auf dem Coachella» – dem wichtigsten US-Musikfestival, das immer Anfang April stattfindet und zu dem so ziemlich jeder kommt – «werde ich nie vergessen!». Und seine Begegnung mit dem Dalai Lama sei fantastisch gewesen. Dann schwärmt er von der Alexander-McQueen-Retrospektive: «He was such a genius.»
Der stillere Pascal macht Fotos, die Sonne scheint. Und doch lässt Mike seinen Gesprächspartnern Raum, fragt immer wieder nach den Sehenswürdigkeiten, an denen wir vorbeiziehen, und lobt die Qualität unserer Glace.
Er war ein Teenager, als sein berühmter Grossvater starb. Und nein, es war nicht von Anfang an klar, dass sich der kleine Mike für Fotografie interessieren würde, sagt er. Erst mit 16 animierte ihn ein Freund dazu, eine Kamera in die Hand zu nehmen.
«Es geht um menschen»
«Aber wenn ich etwas von meinem Grossvater geerbt habe, dann das Gespür für den richtigen Ausdruck, den richtigen Moment und den Menschen hinter dem Bild. Mich interessiert weniger die Inszenierung, mehr die Abbildung der Realität. Vielmehr als um Bilder geht es um den Menschen.»
Mikes grosses Interesse gilt dem Porträt. Er erzählt begeistert vom kettenrauchenden Herrn, den er gestern vor seinem Antiquariat fotografiert hat. «Der war so alt wie die Bücher, die er verkaufte. Und doch waren seine Augen so wach.» Wir setzen uns ins Café Henrici und schauen gemeinsam seine schon entwickelten Arbeiten an, die er lose in einem Schnellhefter bei sich trägt. Die Bilder zeigen viele berühmte Menschen, Künstler wie Francesco Clemente, Terence Koh oder Terry Richardson, lachende Kinder in Indonesien, It-Girls und –Boys, Kinder und Kindeskinder berühmter Persönlichkeiten. Man kennt sich eben, wenn man zwischen dem intellektuellen New York und den künstlerisch-freiheitsliebenden Hamptons aufgewachsen ist und an dieselbe Highschool ging.
Passionierter Surfer
Mike, wie ist es, aus einer so privilegierten Familie zu kommen? «Manchmal ist es eher ein Nachteil. Wenn es darum geht, seinen eigenen Weg und seine eigene Identität zu finden. Allerdings ist es in meinem Umfeld schon fast normal – irgendwie ist ja jeder der Sohn oder die Tochter von einem Promi.»
Just in dem Moment kommt Oskar Weiss auf eine Limonade vorbei, der Sohn von David Weiss – die eine Hälfte von Fischli/Weiss, dem bekanntesten Künstlerduo der Schweiz. Oskar hat sich gerade mit seinem Pop-up-Galerienprojekt selbständig gemacht. Es ist ein wenig, als würde man dabei zusehen, wie neue Seile aus alten Fäden gedreht werden. Mike, Oskar und Pascal reden fröhlich durcheinander über gute Fotoschulen, das perfekte Equipment und den kleinen Skateshop, den alle drei kennen.
Plötzlich wird unser Gast unruhig, er prüft den Stand der Sonne und fragt: «Wo geht es zum See?» Das Wasser ist nämlich die zweite grosse Leidenschaft des passionierten Surfers. Zum Abschied sagt er: «Komm mal vorbei und besuche unsere Foundation – wir haben Fotografien von Barack bis zu den Beatles, die noch niemand gesehen hat.» Aus seinem Mund klingt das beruhigend normal.